Verein für
Asbestopfer und Angehörige (VAO)
Ansprüche Arbeitnehmer
Ansprüche gegen den Arbeitgeber
1. Ansprüche der Arbeitnehmer
Die von einer Asbestkrankheit betroffenen Arbeitnehmer, welche durch den Kontakt mit Asbest am Arbeitsplatz erkrankt sind, müssen nebst der Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber den involvierten Sozialversicherungen (Unfallversicherung, Invalidenversicherung) überprüfen, ob sie auch gegenüber dem aktuellen oder ehemaligen Arbeitgeber rechtliche Ansprüche durchsetzen können. Diese Ansprüche betreffen diejenigen Leistungen, welche von den erwähnten Sozialversicherungen nicht gedeckt werden, das heisst konkret: Genugtuung, Heilungskosten, ungedeckter Erwerbsausfall sowie weitere Auslagen im Zusammenhang mit der Erkrankung.
Den Arbeitnehmer trifft grundsätzlich die Beweislast für das Vorliegen eines finanziellen Schadens sowie das Fehlverhalten des Arbeitgebers. Deshalb muss vor Geltendmachen der Ansprüche eine möglichst lückenlose Dokumentation betreffend das konkrete Arbeitsverhältnis, wo der krankmachende Kontakt mit Asbest erfolgt ist, vorliegen. Zu diesem Zweck ist einerseits beim betreffenden Arbeitgeber das vollständige Personaldossier einzufordern. Erforderlich ist auch eine Dokumentation über das Unternehmen als solches (Firmengeschichte, Produktionsabläufe etc.) Zudem muss auch die vollständige Krankengeschichte vorliegen, welche jeweils bei den behandelnden Aerzten einzufordern ist.
Bezüglich des dem Arbeitgeber vorzuwerfenden Fehlverhaltens ist der Nachweis erforderlich, dass der Arbeitgeber trotz bereits im Zeitpunkt des Kontaktes mit Asbest bekannter Gefahr keine oder ungenügende Schutzvorkehrungen getroffen beziehungsweise die Produktion von Asbestprodukten nicht eingestellt hat. Zusätzlich muss – zumindest für einen Teil der Schadenspositionen - der Nachweis erfolgen, dass das Vorgehen des Arbeitgebers fahrlässig war.
Das Schweizer Parlament hat kürzlich entschieden, die absolute Verjährung für vertragliche und ausservertragliche Ansprüche bei Personenschäden von heute 10 auf 20 Jahre (absolute Verjährungsfrist) zu verlängern. Die relative Verjährungsfrist von einem Jahr wurde dabei ebenfalls auf drei Jahre erhöht. Dies bedeutet konkret, dass die Verjährung bei Asbestopfern nun neu erst nach 20 Jahren eintritt und eine diagnostizierte asbestbedingte Mesotheliom-Erkrankung innerhalb von drei Jahren nach Kenntnisnahme des Schadens geltend gemacht werden muss.
Mit der Revision der Verjährungsregelung reagierte der Gesetzgeber auf eine Forderung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der die zehnjährige Verjährungsfrist bei einem Asbestopfer als zu kurz beurteilt hatte. Nach unserer Ansicht genügt diese Revision den Anforderungen an die Menschenrechte noch heute nicht, denn es ist bekannt, dass die Latenzzeit häufig 30 oder mehr Jahre ist. Es ist deshalb zu erwarten, dass die Asbestopfer den EGMR erneut aufsuchen müssen, um zu klären, dass auch diese Frist zu kurz ist, um deren Rechte geltend zu machen.
2. Ansprüche von Angehörigen von Arbeitnehmern
2.1. Erkrankte Angehörige von Arbeitnehmern können gegenüber der Unfallversicherung (wohl meist die SUVA) keine Ansprüche geltend machen, denn es liegt keine Berufskrankheit vor. Allfällige Ansprüche gegenüber einem Unternehmen müssten aus Art. 41 OR abgeleitet werden. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Beantwortung der Frage des Verschuldens.
Beispiel: Angehörige erleiden eine Asbesterkrankung, weil sie mit den verstaubten Arbeitskleidern des Arbeitnehmers in Kontakt gekommen sind. Das Verschulden des Unternehmens könnte darin ersehen werden, dass Arbeitnehmer und Angehörige ungenügend oder gar nicht über die mit dem Asbeststaub verbundenen Gefahren informiert hatte. Auch wäre zu prüfen, ob eine Reinigung der Arbeitskleider überhaupt hätte privat erfolgen dürfen.
Bei einer Bejahung der Haftung eines Unternehmens müsste zudem abgeklärt werden, ob die Betriebshaftpflichtversicherung allfällige Schadenersatz- und Genugtuungszahlungen übernehmen würde. Dies gilt auch dann, wenn der Betrieb oder die Firma nicht mehr existiert.
2.2. Angehörige von verstorbenen Arbeitnehmern: Die Ehefrau und die Kinder eines verstorbenen Arbeitnehmers können, sofern ein Verschulden des Arbeitgebers am Tod nachgewiesen werden kann, den Schaden, welcher ihnen durch den Ausfall des Erwerbseinkommens entsteht, geltendmachen (sog. Versorgerschaden). Zudem erhalten sie je einzeln eine Genugtuung. Achtung: hier können aber wesentlich kürzere Verjährungsfristen gelten.
3. Übrige Asbestopfer
Bei Asbestopfern, welche nicht an einem Arbeitsplatz mit Asbest in Kontakt kamen, ist in jedem einzelnen Fall gesondert zu überprüfen, auf welcher rechtlicher Grundlage Ansprüche geltend gemacht werden könnten.
Hier stehen verschiedene Möglichkeiten offen, wobei nebst einer vertraglichen Haftung (z.B. Mietvertrag, Kaufvertrag) auch ausservertragliche Haftungen in Fragen kommen können (z.B. unerlaubte Handlung, Werkeigentümerhaftung).
Beispiel:Jemand erkrankt, weil er in der Nähe einer Asbestproduktion gewohnt hat und über die Immissionen mit Asbest in Berührung kam. Hier wäre ein Verschulden wegen der ungenügenden Abluftreinigung bei der Produktion zu prüfen.
4. Verantwortlichkeit der SUVA
Abzuklären bleibt schliesslich auch, inwiefern auch die SUVA, welche Vorschriften über die Arbeitssicherheit erlässt und die Einhaltung dieser zu kontrollieren hat, verantwortlich gemacht werden kann, zumal sich die Arbeitgeber heute darauf berufen, die damaligen SUVA-Vorgaben eingehalten zu haben und damit kein Verschulden zu tragen.
5. Entschädigungsfonds Asbest (EFA)
Ziel der Stiftung EFA ist es, Asbestopfern und Angehörigen schnell, fair und unbürokratisch zu helfen. Und das unabhängig davon, ob die Betroffenen berufsbedingt mit Asbest in Kontakt gekommen sind oder nicht. So ist sichergestellt, dass sowohl Nicht-UVG-Versicherte wie auch UVG-Versicherte Unterstützung erhalten. Weitere Informationen finden Sie hier.
6. Prozesse
Verschiedene Asbestopfer oder deren Angehörige haben Prozesse gegen frühere Arbeitgeber angestrengt. Bis heute hat noch kein Gericht einen Arbeitgeber verpflichtet, Schadenersatz- oder Genugtuungszahlungen an die Opfer zu leisten. Das Schweizerische Bundesgericht hat sich bis heute (Sept. 2019) auf den Standpunkt gestellt, dass diese Ansprüche spätestens nach Ablauf von 10 Jahren nach der Einatmung des Asbeststaubes verjähren würden. Obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in seinem wegweisenden Urteil festhielt, dass eine Verjährung nicht eintreten dürfe, bevor ein Opfer von seiner Erkrankung Kenntnis erlange, hat das Bundesgericht noch keinem Prozess "grünes Licht erteilt" und die Einrede der Verjährung zurückgewiesen.
Das Bundesgericht wird in verschiedenen Fällen nochmals entscheiden müssen, ob die Ansprüche der Kläger verjährt sind. Bestätigt es dies, so wird sich auf Beschwerde der Asbestopfer hin der EGMR erneut mit der leidigen Angelegenheit des mangelhaften Schweizerischen Verjährungsrechts auseinandersetzen müssen.
Pflichten des Arbeitgebers
Gemäss Artikel 82 des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung (UVG) ist der Arbeitgeber verpflichtet, zur Verhütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den gegebenen Umständen angemessen sind.
Andererseits nimmt Absatz drei des selben Artikels auch die Arbeitnehmer in die Pflicht, den Arbeitgeber in der Durchführung der Vorschriften über die Verhütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten zu unterstützen. Sie müssen insbesondere persönliche Schutzausrüstungen benützen, die Sicherheitseinrichtungen richtig gebrauchen und dürfen diese ohne Erlaubnis des Arbeitgebers weder entfernen noch ändern.
Die erforderlichen Massnahmen für den Umgang mit asbesthaltigen Materialien sind in der EKAS-Richtline Nr. 6503 "Asbest" festgehalten. Die EKAS-Richtlinie finden Sie hier.
Arbeiten, bei denen erhebliche Mengen gesundheitsgefährdender Asbestfasern freigesetz werden können, dürfen nur von anerkannten Asbestsanierungsunternehmen ausgeführt werden. Die von der Suva anerkannten Asbestsanierungsunternehmen finden Sie hier.
Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr dürfen nicht für arbeiten eingesetzt werden, bei denen erhebliche Mengen gesundheitsgefährdender Asbestfasern freigesetzt werden können.
Grenzwert am Arbeitsplatz
Für Asbest wurde der Grenzwert am Arbeitplatz (Maximaler Arbeitsplatzkonzentrationswert, MAK-Wert) auf 0,01 lungengängige Asbestfasern/ml Luft (=10'000 lungengängige Asbestfasern pro Kubikmeter Luft) festgelegt. Dieser Wert berücksichtigt die neusten epidemiologischen Erkenntnissse zur Dosis-Wirkungsbeziehung bezüglich Asbest und Mesotheliom/ Lungenkrebs. Mehr über die Grenzwerte am Arbeitsplatz erfahren Sie hier.
Luftreinhaltung
Treten bei Umbau-, Erweiterungs- oder Sanierungsarbeiten über die Aussenluft Asbest-Feinstaub-Immissionen gegenüber Dritten auf, sind die luftreinhalterrrechtlichen Anforderungen zu beachten - insbesondere Emissionsgrenzwert und Minimierungsgebot gemäss Artikel 82 der Luftreinhalteverordnung (LRV). Die Luftreinhalteverordnung finden Sie hier.
Entsorgung
Abfälle mit schwachgebundenem Asbest gelten als Sonderabfälle und werden grundsätzlich von Fachfirmen entsorgt. Weitere Informationen zur Entsorgung asbesthaltiger Abfälle finden Sie hier.